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STOA? 169?

Dr. Gerald Meier
 

Dass sich die Stoa169 ein Vorbild in der griechischen Antike entlehnt, setzt einen hohen Anspruch an das gesamte Projekt. Denn was vor rund 2000 Jahren als Erfolgsmodell unter dem Dach einer Säulenhalle als bedeutender Ort des Denkens in die Geistes-Geschichte einging, soll in eine bedeutende Wandelhalle unserer Tage übertragen werden. Damals ein Zentrum der Philosophie, heute ein Zentrum der Kunst.

Die Idee, dieses Kunstprojekt an die Gedankenwelt der stoischen Philosophie anzuknüpfen, ist natürlich nicht zufällig gewählt. Einerseits geht es um die Halle als solche. Stoen, also Wandelhallen, wurden bei den Griechen schon in archaischer Zeit gebaut. Ab ca. 700 v.Chr. hat sich dieser typische hellenistische Bautyp zu einem prägenden Element des Städtebaus entwickelt. Als Einfassung der Agora bildeten die Wandelhallen den Rahmen des öffentlichen Lebens in den Großstädten. Allein in Athen sind im Laufe der Jahrhunderte 9 Stoen entstanden. Nur eine, die Stoa des Attalos, wurde in moderner Zeit rekonstruiert, von den anderen blieben bis heute nur die Grundmauern. 

Die STOA169 kommt der Stoa Poikile (bemalte Wandelhalle) dabei am nächsten, wurde diese Halle doch schon immer als Ausstellungsraum und Bildergalerie genutzt. Dann, mit dem „Einzug“ von Zenon von Kition in die Stoa Poikile um 300 v.Chr., wurde diese Halle zur Geburtsstätte des Stoizismus. Damit war gleichsam ein Ort und ein „Denkraum“ geschaffen, in dem, öffentlich und für jedermann, gelehrt und gelernt wurde. Ihre Wirkung lag nicht darin, dass sich Leute in einer Säulenhalle versammelt haben und plötzlich erleuchtet wurden, sondern darin, durch streitendes Argumentieren, überzeugende, sprich wahre, Einsichten zu gewinnen. 

Eine überzeugende Einsicht führte dann beim Teilnehmer des Diskurses im Idealfall zu einem Wissen. Dieses Wissen bezog sich auf die Bestimmung des Menschen, also auf die Weisheit. Weisheit wiederum war der Grund zu einer gelassenen ethischen Haltung des Einzelnen, die ihn in einen Zustand der Befreiung oder „Glückseligkeit“ erhob. Aufgabe der stoischen Schule war es natürlich auch, die Weisheit logisch und d.h. rhetorisch und dialektisch zu verteidigen. 

Im Kern geht es dem stoischen Denken also um die bekannte „Seelenruhe“ des Einzelnen. Eine Ruhe, die aus der Selbst-Erkenntnis stammt, dass der Mensch in eine Ordnung, in einen Kosmos gehört, in dem alles miteinander verbunden ist, alles aus einem Stoff besteht und einer Wahrheit oder „Logos“ folgt. Die „Glückseligkeit“ erreicht der stoische Mensch aber nur in der naturgemäßen Lebensführung, die vor allem dem Hedonismus widerspricht. 

Die Ethik der Stoiker war bahnbrechend. Denn das „gute Leben“ stand jedem Menschen zu: Sowohl den Frauen und Sklaven als auch den „Barbaren“, also allen Nicht-Griechen. Im Prinzip waren die Stoiker die ersten Kosmopoliten. 

Heute wird zunehmend eher das Gegenteil gewollt. Weisheit und Selbsterkenntnis sind Begriffe, die kaum eine Rolle spielen. Stattdessen sind Selbsterhaltungsszenarien populär. Der Ruf nach Ab- und Ausgrenzung, Disharmonie und radikale Ablehnung eines „Ganzen“, das Alles und Alle verbindet, findet an vielen Köpfen ein offenes Ohr. Die negativen politischen und gesellschaftlichen Folgeerscheinungen machen täglich Schlagzeilen. Die Stoa169 nimmt sich das antike Vorbild und entwirft eine moderne Version einer Wandelhalle, die sich den heutigen Parolen in den Weg stellt. Gleichsam lädt sie jedermann zu sich ein und bietet einen einzigartigen Ort der Vielfältigkeit in einer Einheit. Die Stoa169 will genau das sein: Ein freier, kosmopolitischer Ort, in dem Wissen über das Ganze von Natur und Mensch entstehen kann, inspiriert von Künstlern, die ihre Säulen sprechen lassen. 

Die Zahl 169 entspringt der Überlegung die Halle quadratisch, im Maß von 13 mal 13 Säulen anzulegen. Darin steckt die Symbolik der Primzahl. Die sich nur durch 1 oder sich selbst teilen lässt und somit eine geschlossene Einheit bildet, die, wie ein Kreis, immer wieder auf sich verweist. In diesem Sinne ist die STOA169 eine künstlerische Quadratur des Kreises.