Im Winter 1989/90 reiste ich zum ersten Mal nach Südindien. Beeindruckt von den Tempeln der Hindus und ihren Heiligtümern, die tief im Innern der ausgedehnten Tempelanlagen liegen, konzentrierte sich mein Interesse mehr und mehr auf die Räume davor, auf die Säulenhallen, Säulengänge und Wartehallen, die zum Allerheiligen im Zentrum führen. Die Hallen dienen zur Meditation, aber auch dazu, die Pilger vor Regen und Sonne zu schützen. Sie wurden aus 100 oder auch 1000 Säulen errichtet und dienten in Kriegszeiten nicht selten als Zufluchtsort. Auch heute werden diese Hallen aufgesucht, um Ruhe zu finden, gemeinsam Mahlzeiten einzunehmen oder zu meditieren, umgeben von den Stelen und Säulen, die künstlerisch individuell gestaltet sind. Sie erzählen in Stein gehauene Geschichten der göttlichen Familie, von Schlachten, Kämpfen, von erotischem Begehren und Liebe. Bereits während der Indienreise, vor mehr als 30 Jahren, reifte in mir die Idee einer Künstlersäulenhalle. In den 90erJahren entstanden konkrete Pläne, technische Möglichkeiten wurden erörtert. Als ich 2016 gemeinsam mit meiner Frau Nina nach Indiens reiste, drängte sich mein langjähriger Wunsch, das Großprojekt einer Säulenhalle mit über hundert Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt zu realisieren, erneut auf. Die Umsetzung sollte nicht länger aufgeschoben werden. In Zeiten von Kriegen und Hungersnöten, von Vertriebenen und Geflüchteten, war und ist es mir ein besonderes Anliegen, mit diesem Künstlerprojekt ein Zeichen für internationale Solidarität und Frieden zu setzen. Eine Halle, getragen von über hundert individuell gestalteten Säulen, geschaffen von Künstlerinnen und Künstlern aller Kontinente, wird zum Zeichen von Grenzenlosigkeit, friedlicher Koexistenz und der Achtung der Freiheit des Anderen.
Die Diversität der künstlerischen Ausgestaltung, das Zusammenspiel von Farbe, Form und Material kreieren eine überraschende, überwältigende, zur Betrachtung und Vertiefung einladende Situation. Das Nebeneinander unterschiedlicher Vorstellungen von Kunst – gedacht und erfahrbar in der schlichten Form einer Säule oder Stele – zeugt in der STOA169 vom Denken der Künstlerinnen und Künstler sowie der bildenden Kunst unserer Welt. Es entsteht eine Insel des freien Diskurses.